Die Kogi – und ihr Entscheidungsprozess

Die Kogi leben in einem Verbund einer Dorf-gemeinschaft, von ca. 300 Dorfbewohnern. Ihre tägliche Arbeit verrichten sie auf ihrem Feld, auf dem sie das anbauen und bewirtschaften, was die Familie zum Leben benötigt. So sorgt jede Familie für ihre Familien-mitglieder, auch die Alten und Kranken. Im Kollektiv werden Felder z.B. für Zuckerrohr bewirtschaftet, das mit der Dorfpresse verarbeitet, und gleichmäßig an alle Dorfbewohner verteilt wird.

Abends kommen alle Dorfbewohner zusammen und tauschen sich aus zu ihren Gedanken, Erfahrungen und Erlebnissen des Tages. Und lauschen interessiert den unterschiedlichsten Perspektiven und Erfahrungen der anderen. Der Austausch unter den Dorfbewohnern ist ein zentraler Prozess der Gemeinschaft. In der es darum geht, die Gedanken und Perspektiven der anderen zu erfassen und in den Austausch zu gehen.

 

Entscheidungen werden über vollständig ausgewogene Prozesse getroffen.

 

Stehen Entscheidungen im Dorf an, so kommen die Männer und Frauen getrennt regelmäßig in ihren Zeremonialhäusern abends zusammen wo sie bei Lagerfeuern in der Dunkelheit ihre Gedanken austauschen.

 

Die Kogi leben in engster Verbindung mit den kosmischen Gesetzen. So ist es für ihre Gemeinschaft essentiell für jede Entscheidung (=Ursache) alle möglichen Folgen, Wirkungen und Konsequenzen bestmöglich abzuwägen und sich diesen bewusst zu machen in der Gemeinschaft.

 

Bei besonders wichtigen Entscheidungen kann dieser Austausch auch einige Nächte hinweg andauern. Wir würden das Wort „Ausdiskutieren“ verwenden – das trifft es aber nicht.

 

Es ist ein komplexes, demokratisches, ausgewogenes Entscheidungssystem, das von der Vielfalt der Perspektiven lebt und so eine gemeinschaftliche Lösung als Ergebnis hervorbringt und nicht die Trennung oder die individuelle Meinung. So werden optimale Entscheidungen für einen Verbund geschaffen, der von allen Beteiligten vollumfänglich mitgetragen wird.

 

Wie findet dieser Prozess statt?

 

Es werden möglichst viele Informationen von allen Bewohnern zusammen-getragen. In der Dunkelheit bekommt jeder das Wort. Jeder darf seine Gedanken aussprechen und seine Sichten mit den anderen teilen. Auch Ängste, Sorgen, Zweifel, genauso wie Visionen, Bilder, Aussichten.

Alles hat seinen Raum und alles bekommt Gehör.

Bei diesen Zusammenkünften geht es darum zuzuhören und alle Sichtweisen, Perspektiven und Gedanken anzuhören, wahrzunehmen, zu erfassen, zu verinnerlichen und den anderen zu verstehen.

 

Hierfür das Bewusstsein der Kogi die entscheidende Grundlage:

 

Sie nehmen wahr. Sie beobachten, hören, lesen Energien, spüren. Sie urteilen nicht und verurteilen nicht. Sie sind – wie wir sagen würden – in ihrer Mitte. Sie sind im Gleichgewicht.

 

Niemand wird unterbrochen, kritisiert. Jedes Wort ist gleich wert und soll gehört werden. Erst wenn jedes Wort gehört worden ist, und alle Sichtweisen abgewogen wurden, fasst der Mámus noch einmal alles zusammen, ohne seine eigene Sicht einfließen zu lassen.

 

Das Ergebnis und das Ziel dieses Entscheidungs-prozesses ist es, bestmöglich alle Folgen, Auswirkungen und Lösungswege in der Gemeinschaft abzuwägen, um die beste Entscheidung, die allen gemeinsam dienlich ist zu treffen.

 

Da die Mikroebene immer mit der Makroebene verbunden ist, findet nach diesem Prozess der Mikroebene – der Dorf-gemeinschaft anschließend die Abwägung auf der Makroebene statt.

Die Kogi befragen ALUNA – die Quelle allen Seins – ob die Entscheidung auch im Sinne der Erde, dieser Welt und somit ein Teil von ihr ist.

 

Die Mámos finden sich für diesen Prozess an einem heiligen Ort des Dorfes zusammen. Es ist die geistige – spirituelle Autorität des Dorfes. Es ist der Ort. Auch für die alltäglichen Fragen gibt es weltliche Autoritäten (Führer).

Entscheidungen egal ob spirituell und/oder alltäglich werden immer miteinander abgewogen und im Einklang beschlossen.

 

Die Aufgabe der Mámus, der Schamanen, ist es, für Yulúka, für das Gleichgewicht auf allen Ebenen zu sorgen. Auf der geistigen sowie auch auf der materiellen Ebene.

 

Es muss alles im Gleichgewicht, im Ausgleich sein.

 

Wir dürfen viel von den Kogi für unsere Gesellschaft lernen.

Was wäre, wenn wir in unsere Gesellschaft wieder mehr zuhören würden?

Was wäre wenn wir uns wieder bemühen, den anderen zu verstehen?

Was wäre wenn wir andere Sichtweisen und Perspektiven wieder erlauben würden und ihnen mehr Raum geben?

Was wäre wenn wir nicht mehr bewerten oder verurteilen?

Was wäre wenn wir uns gründlich überlegen würden welche Auswirkung unsere Worte, unser Handeln unsere Entscheidungen auf uns selbst und auf unser Umfeld und Umwelt hat? 

Was wäre wenn wir zusammen diese Welt wieder zu einem besseren Ort machen würden? 

 

© Andrea Becker

Was der Dualseelenprozess wirklich ist